Bildungspost 2019-3: Geschichten mit dem Smartphone erzählen

von Lutz Neumeier

Das Erzählen von Geschichten oder neudeutsch „Storytelling“ ist von Anbeginn für die Menschheit als Weitergabe von Erlebtem, von Wissen und zur Unter-haltung genutzt worden. Wurden diese Erzählungen erst nur mündlich weitergegeben, kam irgendwann die Schrift und das Bild hinzu, später dann das bewegte Bild in Form von Videos.
Betrachten wir die gesellschaftliche Entwicklung in den letzten Jahrzehnten, so ist festzustellen, dass sich durch die Digitalisierung grundlegende Bereiche des Alltages verändert haben. Neue Technologien ermöglichen neue Formen und Formate des Erzählens, des Interagierens, der Kommunikation und der Informationsweitergabe.
Die Entwicklung der Smartphones beispielsweise sorgte dafür, dass heute fast jeder Mensch einen leistungsstärkeren Computer in der Hosentasche mit sich führt als 1969 der NASA bei der ersten Mondlandung zur Verfügung stand. Parallel dazu entwickelte sich das Internet weg von statischen Konsumentenseiten hin zu interaktiven Beteiligungsplattformen mit zahlreichen Publikationsmöglichkeiten. Zudem veränderten sich durch die mediatisierte Umwelt auch die Lese- und Kommunikations-gewohnheiten1 , so dass sich Formate durchgesetzt haben, in denen mehr Informationen in kürzerer Zeit untergebracht werden konnten, wie beispielsweise das Bild oder das bewegte Bild.

Bereits 2015 wurden beispielsweise auf der in 80 Sprachen verfügbaren Videoplattform YouTube über 400 Stunden Videomaterial pro Minute weltweit hochgeladen, das Fotonetzwerk Instagram kann aktuell bei weltweit einer Milliarde Nutzer*innen über 500 Millionen aktive Nutzende pro Tag vorweisen, das soziale Netzwerk Facebook, in dem überwiegend kurze Beiträge, vor allem aber Fotos und Videos gepostet werden, verzeichnet derzeit weltweit über 2,2 Milliarde Nutzer*innen – alles Dienste und Angebote, die von Jugendlichen und Erwachsenen überwiegend über mobile Endgeräte genutzt werden.

Auf die Frage „Was nutzt du im Internet am liebsten, geben 63% der Jugendlichen laut JIM Studie 2018 das Videonetzwerk Youtube an2 aber auch Erwachsene nutzen laut ARD/ZDF Onlinestudie immer intensiver soziale Netzwerke und Videoplattformen für ihre Unterhaltung und das Informationsmanagement.

Videos werden von Jugendlichen und Erwachsenen nicht nur zum Vergnügen und zur Unterhaltung konsumiert, sondern vor allem auch zum Lernen und zur Information, was durch den Anstieg von qualitativ hochwertigen Bildungskanälen in den letzten Jahren bestätigt wird. Diese Entwicklung gilt es nun nicht nur zu berücksichtigen, sondern auch als einen Maßstab für die Konzeptionierung neuer lebensweltbezogener Angebote zu nutzen

Der Weg vom Konsumenten zum Produzenten
Moderne Smartphones und digitale Tools und Technologien ermöglichen mit ihren multimedialen Eigenschaften, die eigene Konsumentenrolle zu verlassen und sich als Produzent auf einer ganz anderen Ebene mit den Inhalten zu beschäftigen. In Unterrichtsbezügen muss man als Lehrperson dafür selbst weder Techniknarr, Computer-Nerd oder Filmregisseur sein, man braucht auch keine professionellen Aufnahmegeräte. Die meisten Menschen haben die notwendige Technik stets dabei.

Es gibt eine ganze Reihe von Methoden und Möglichkeiten, Videos ohne großen Aufwand mit dem Smartphone zu erstellen, drei einfache Varianten seien hier kurz vorgestellt:

  1. Eine einfache Variante ist das Aufnehmen von Erklärvideos, womit komplexe Inhalte und Themen auf eine sehr stark vereinfachte Art und Weise visualisiert werden: Dabei werden ganz klassisch Figuren oder Szenen auf Papier gemalt und ausgeschnitten, die Handykamera schaut auf einen Tisch und während ein Text gelesen wird, werden die gemalten Figuren etc. mit einer Hand unter die Kamera hinein und wieder hinausgeschoben.
  2. Einfach sind auch Stopmotionfilme, ein Prinzip, das wir vom früheren Daumenkino her kennen. Durch die schnelle Aneinanderreihung von einzelnen Bildern entsteht am Ende ein bewegtes Bild. Hierfür gibt es besondere Apps, die man in den Stores herunter laden kann. Ein Hintergrund (und Boden) wird gemalt und kleine Figuren (z.B. Knete oder Playmobil) werden millimeterweise weitergerückt, jedes Mal wird dazwischen ein Foto aufgenommen. Ungefähr 10 Fotos ergeben 1 Sekunde Videofilm. Weiterführende Ideen und Inspirationen finden Sie hier: https://www.medienpaedagogik-praxis.de/?s=Stopmotion
  3. Klassisches Video: Natürlich können immer Videos mit einer Gruppe als Schauspieler aufgenommen werden, dabei muss man für eine Veröffentlichung (z.B. auf YouTube oder einer Webseite nur bedenken, dass man von jeder abgebildeten Person eine schriftliche Einwilligung zur Veröffentlichung benötigt. Daneben kann man z.B. auch Handy-Chatverläufe als Video aufnehmen und so eine Geschichte erzählen.

Bei allen drei Methoden geht die Lernerfahrung über die Produktion des eigentlichen Videos und die Vermittlung der Inhalte für Dritte weit hinaus, sofern die Gruppenprozesse bei der Erstellung als pädagogisches Ziel erklärt werden. Im Gesamtkontext gesehen, wird die Methoden- und auch Medienkompetenz gestärkt, denn bereits vor der eigentlichen Aufnahme müssen sie sich intensiv mit den darzustellenden Inhalten auseinandersetzen. Dies geschieht in der Regel durch das Erstellen eines Storyboards als Anleitung, welche Inhalte wann und wo dargestellt werden. Hierfür müssen komplexe Inhalte recherchiert und vereinfacht dargestellt werden, wodurch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Inhalt zustande kommt. Wird diese Arbeit in Kleingruppen von den Teilnehmenden durchgeführt, werden zudem Team- und Kommunikationsfähigkeiten gefördert.

Genauere Erklärungen oder Beispiele zum Storytelling finden sich u.a. auf der Webseite des Verfassers unter http://n16.me/mpg

Videotipp: Aufzeichnung des EEBtalks zum Thema Storytelling in der Gemeindearbeit: youtu.be/RN6fWPQD2r8

Autor:
Lutz Neumeier, Pfarrer und Medienpädagoge
Gemeindepfarrer in Lich / EKHN

Lutz Neumeier, Jgg 1964 ist seit 1995 im Internet zuhause und hat relativ schnell begonnen, Webseiten zu schreiben und mittlerweile mehrere Apps für die beiden großen Stores (Playstore und Appstore) herausgebracht.
Im pädagogischen Bereich sucht er immer nach neuen Möglichkeiten der Nutzung digitaler Technik im Unterrichtsgeschehen und veröffentlicht diese auf seiner Webseite NEUMEdIER.de.
Er ist in den sozialen Medien aktiv und hat sich auf verschiedene Formen des Storytelling spezialisiert, z.B. Erklärvideos, Stopmotionfilme und Chatstories.

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1Eine heute im Internet immer wieder zu findende Abkürzung steht für die Unlust, längere Texte zu lesen: tl;dr – too long, didn’t read: Zu lang, nicht gelesen.

2JIM-Studie 2018: Jugend, Information, (Multi-) Media, https://www.mpfs.de/studien